Projektbericht Angelika Pröstler
"La Fraternidad"
14. Oktober bis 30. November 2010



Seit meiner Jugend hegte ich den Traum längere Zeit in Nicaragua zu verbringen. Damals engagierte ich mich in einer kleinen Solidgruppe Condega - Aschach/D. 15 Jahre später erlaubte ich mir eine "Auszeit" in meinem Beruf für die Verwirklichung dieses Traumes. Gleichzeit fand ich in la Fraternidad einen sehr passenden und spannenden Platz für meine Projektarbeit, die ich für meine Ausbildung zur Mal- und Gestaltungstherapeutin brauchte.

Rosa Estela hat mich gebeten, alles aufzuschreiben, was gut und schlecht ist in Fraternidad und Kurt und Christa haben mich gebeten, einen Bericht über meinen Aufenthalt zu schreiben. Momentan fällt es mir schwer zu beginnen, weil es so vieles gibt, was ich schreiben möchte und mir aber auch die richtigen Worte dafür fehlen.

Am besten ich beginne mit meinen ersten Eindrücken:
Voller Erwartungen, voll mit Erzählungen über Condega, über Nicaragua kam ich hier am 14. Oktober an. Ich wurde gleich mal gefragt, wie ich es mir vorgestellt habe und wie es jetzt ist, und ich musste feststellen, dass ich es mir genau so vorgestellt habe.
Natürlich war das nur der erste Eindruck und erst mit der Zeit ergänzte sich das Bild, das wahrscheinlich nie vollständig sein wird, aus lauter kleinen Puzzleteilen. Ich durfte am Freitag zu la Fraternidad kommen und wurde hier gleich mal sehr herzlich begrüßt und mir wurde das Zentrum stolz präsentiert und die MitarbeiterInnen vorgestellt. Das Zentrum erscheint mir sehr groß und großzügig angelegt, mit ausreichend Räumen. Am Vormittag zeigte sich dann gleich mal die großzügige und herzliche Art von Rosa Estela, die mich zu allen Orten begleitete, an denen ich Interesse hatte und so besuchten wir am Vormittag bereits "Los Pipitos".
Mit Rosa Estela und Ivan vereinbarte ich, dass ich die erste Woche mal schaue wie hier gearbeitet wird, und dass wir dann gemeinsam einen Projektplan erstellen. Am Nachmittag wurde ich dann mit einem Willkommensfest begrüßt und erlebte die Kinder als sehr aufgeschlossen und durfte auch erleben, dass hier die selben Spiele gespielt werden wie in Österreich, ob sie "importiert" sind, oder es einfach kulturübergreifende Spiele sind, konnte mir niemand erklären.

Meine erste Woche:
Am Montag ging ich mit dem Vorsatz zu la Fraternidad, um mir alles anzuschauen, ohne zu werten und mir dafür viel Zeit zu lassen. Das ist jedoch schwieriger als gedacht. Als ich in die Area "dibujo und pintura" ging, war ich erschrocken über die Unordnung und das Angebot an Farben, die es dort gab oder nicht gab. In einem kleinem Raum befand sich vom Buschmesser, über eine zerbrochene Glasflasche und jede Menge Altpapier alles auf einem Haufen. Ivan erklärte mir dabei, dass es bald ein Regal geben wird, das das bereits Vorhandene ersetzen wird und dann kann man alles ordentlich hineinlegen. Das wollte ich gerne glauben. Die vorhandenen Farben (Ölfarben und Acrylfarben) standen in offenen Dosen am Boden, so dass ich Angst hatte, dass sie wahrscheinlich bereits eingetrocknet sind. Die Pinsel waren mit den Haaren in Wasser eingeweicht, was auch mein Herz bluten ließ. Mir wurden die schönen Bilder an der Wand gezeigt, die auf Leinwand von 3 - 4 SchülerInnen und von Ivan selbst gemalt wurden. Abwartend und gespannt schaute ich was passiert, Ivan begann zusammenzuräumen und den Raum zu kehren. Die 3 - 4 Jugendlichen, die sich eingefunden haben, setzten sich vor die schiefen Bänke, die es als einzige Malgelegenheit in der Area gab und die ordentlich wackelten. Einer begann mit einem kleinen Stumpen von Kreide auf den Tisch zu zeichnen, während Ivan und ich den Raum aufräumten und die Farben auf einen Tisch stellten. Es gab kein Papier und auch sonst kein weiteres Angebot und der Vormittag schleppte sich wie der Nachmittag dahin, einige Kinder spielten Karten und Fußball und der Zeichenraum, nachdem beide Türen geöffnet waren, wurde zum Durchlaufen verwendet. An diesem Abend war ich erschrocken.

Ich brach dann mein Vorhaben in der ersten Woche mir die Arbeit hier anzuschauen ab und nahm bereits am nächsten Tag meine mitgebrachten Farben mit und Ivan fuhr sogleich und besorgte Papier und es folgte ein Tag, an dem alle Kinder von Fraternidad zum Malen kamen. Da von mir die Initiative mit den Farben kam, war es für alle gleich selbstverständlich, dass ich das weitere Programm übernehme und ich konnte mich selbst auch nicht zurückhalten, weil es mir Freude bereitete, den Kindern und Jugendlichen mit so großer Ausdauer und Begeisterung beim Malen zu zusehen.
Die nächsten Tage gestalteten sich ähnlich, aber nur mehr die Kinder vom Zeichenkurs konnten Malen kommen, weil der Andrang allzu groß war. Außerdem schlossen wir die Türen, um das Durchlaufen zu vermeiden und schickten, die Fußballspieler nach draußen, was sofort von allen akzeptiert wurde.

Was ich sehr schade fand war, dass ich nicht mehr Einblick in die Area von dibujo und pintura bekommen konnte, da mir sofort alle Verantwortung für Aktivitäten gegeben wurde. In einem Gespräch mit dem Zivildiener und der Freiwilligen aus Deutschland erfuhr ich später, dass auch vor meiner Ankunft nicht gezeichnet wurde, sondern gequatscht oder gespielt.

Mein Projekt:
In der 2. Woche startete ich mit meinem Projekt, da ich aufgrund der nahenden Ferien darauf achten musste genügend Stunden dafür aufbringen zu können. Mit Ritualen gab ich dem Vormittag / Nachmittag eine Struktur, die gleichbleibend war und somit auch ein Rahmen für mein Projekt war. Ivan nahm nur am ersten Tag an dem Kurs, den ich "procesos creativos" nannte, teil und war dann, obwohl ich ihn dazu einlud nicht mehr dabei. Die Kinder kamen am Anfang sehr viel und gegen Ende November dann nur mehr sehr sporadisch, weil sie sich für ihre Prüfungen vorbereiten mussten. Alle, die daran teilnahmen kamen freiwillig. 2 bis 3 Jugendliche gefiel es scheinbar weniger und sie nahmen dann auch nicht mehr teil und machten etwas Anderes im Zentrum. Am Vormittag kamen zwischen 3 - 5 Kinder und Jugendliche und am Nachmittag am Anfang bis zu 13 Kinder und Jugendliche, was die Arbeit mit Mal- und Gestaltungstherapie fast unmöglich machte, da der respektvolle und wertschätzende Umgang, eine vertrauensvolle Umgebung wichtig ist, die in so einer großen Gruppe nicht gewährleistet werden konnte. Ich organisierte dann mit der Hilfe von Ivan und der Zustimmung von Rosa Estela, dass sich die Nachmittagsgruppe teilte und das erleichterte die Arbeit zuerst ungemein und später war es weniger hilfreich, weil von einem Tag auf den nächsten keine oder nur mehr vereinzelt Kinder und Jugendliche kamen. Mein Angebot wurde erstaunt aber auch dankbar angenommen. Wobei ich den Schwerpunkt auf das kreative Gestalten setzte, weil ich merkte wie sehr ihnen das Freude bereitete. Die Imaginationen waren spürbar neu für alle und verursachte bei einigen Kindern und Jugendlichen am Anfang Unbehagen, bzw. war es für einige schwer die Augen dabei zu schließen.
Sie ließen sich aber gut darauf ein und eine Vielzahl von bunten Bildern, großteils Landschaftsbilder entstanden. Wir sammelten diese Bilder in einer Mappe, die in der ersten Woche jedes Kind selbst gestaltet hat. Besonders die Pastellkreiden fanden großen Anklang bei den jungen KünstlerInnen. An den Freitagen machten wir 2 mal einen Ausflug mit den Jugendlichen, einmal ins Gymnasium "Nacional", wo es eine Ausstellung mit Wettbewerb gab und einmal nach Ducuale Grande. Außerdem wurde es mir ermöglicht, dass ich mit Elba Guevara am Land eine Familie mit einem behinderten Kind besuche und in der Schule Lolita Solazar hospitierte und dann auch einmal eine Zeichenstunde selbst halten konnte.

Über meine Eindrücke von la Fraternidad:
Nachdem ich nur kurze Zeit in Fraternidad war und ich auch nur meinen Kurs in der Area dibjuo und pintura machte, schränkt sich mein Einblick sehr ein. Aber natürlich bekommt man auch in kurzer Zeit ein bisschen etwas mit und ich versuche hier, meine Eindrücke aufzuschreiben.
Das Zentrum ist sehr groß angelegt und das Team ist deshalb auch sehr "zerstreut" auf dem großen Zentrum, es gibt keinen gemeinsamen Start oder Ende. Am Anfang kämpfte ich sehr mit der Unpünktlichkeit, bis ich mir auch angewöhnt habe, 10 min zu spät zu kommen, um nicht immer vor verschlossenen Türen zu stehen. Die Räume sind je nach dem wer darin arbeitet sehr ordentlich und sauber, oder aber auch nicht. Es steht, so denke ich, in der Verantwortung jede/s PromotorIn, dort sauber zu machen. Die Wassertoiletten waren immer zugesperrt und teilweise in einem argen Zustand, weil sich scheinbar niemand um die Reinigung kümmert, was ich sehr schade finde, weil es ja eigentlich toll ist, dass es welche gibt.
Rosa Estela, ist mit sehr viel Herz bei der Sache und ihr fehlt jedoch das Durchsetzungsvermögen im Team. Es scheint mir als wäre sie mit der Leitung des Zentrums überfordert, bzw. auch mit den Mühen, die diese Arbeit (täglicher Fußweg, MitarbeiterInnenleitung, finanzielle Abwicklung, Planung von Reuniones und Festen etc.) mit sich bringt. Es liegt also auch in der Verantwortung jeder/s MitarbeiterIn, was und wie in der jeweiligen Area gearbeitet wird. Teilweise wird hier so richtig Kurssystem geboten, wie z.B. in der Computacion und andererseits hat es eher den Eindruck von einem offenem Jugendzentrum gemacht, wie z.B. in dibujo.
Weiters war ich sehr erschrocken darüber wie wenig die Promotores für ihre Arbeit verdienen, unter den täglich steigenden Preisen kann ich mir nicht vorstellen, dass das Einkommen in dieser Höhe noch länger für die alltäglichen Ausgaben reichen wird.
Teilweise fragte ich mich auch, ob es nötig ist, so viele PromotorInnen anzustellen. Was ich auch schade fand war, dass es kaum eine Zusammenarbeit des Teams, bzw. keine Besprechungen gab. Auch merkte ich, dass das Team teilweise auch sehr unzufrieden mit dem momentanen Zustand ist. Mein Angebot auch für die PromotorInnen einen Kursabend für Mal-und Gestaltungstherapie anzubieten wurde zwar zuerst von Rosa Estela sehr begrüßt, aber dann scheiterte es an der Kommunikation oder an dem Interesse.

Mein Abschied von Fraternidad:
Ich bereitete, wie versprochen, gemeinsam mit den Kindern eine kleine Ausstellung vor, die am Abschlussnachmittag und bei einer Tanzpräsentation am 5. Dezember, die jetzt doch nicht stattfinden wird, ausgestellt werden soll. Der Abschlussnachmittag wurde nie vorbereitet, nur 2 PromotorInnen nahmen sich um das mühevolle Kochen von Essen an und andere halfen dabei mit. Eine Viertelstunde nach Beginn des Festes bemerkte Rosa Estela, dass es kein Programm gab und dann fanden sich einige Jugendliche, die das schnell vorbereitete Programm übernahmen, das aus dem Verteilen der Geburtstagsgeschenke von Fabian, einem spontanen Tanz von den Kindern der area danza und meiner Vorstellung der Ausstellung und dem Austeilen des Essens danach, bestand. Schade fand ich es dabei, dass in diesem Chaos ganz untergegangen ist, dass sich jemand von mir verabschiedet hätte oder den KöchInnen gedankt wurde. Dieses sehr improvisierte Abschlussfest hinterließ einen etwas bitteren Nachgeschmack bei mir. Ich mache mir einfach Sorgen, dass unter so wenig Leitung, wie es zur Zeit der Fall ist, die MitarbeiterInnen unzufriedener werden und der Spaß und die Freude, die die Arbeit mit den Kindern bereitet, verloren geht.

Am 4. Dezember wurde ich beim Abschlussfest von La Fraternidad, das sehr schön war, ganz herzlich verabschiedet. Mir gefiel es sehr gut, auch die Idee, ein Zusammentreffen von allen Promotoren und Jugendlichen von la Fraternidad zu machen gefiel mir ausgezeichnet und machte eine gute Stimmung im Team.

Ich wünsche euch allen gutes Gelingen.

Ich wünsche euch Veränderungen, die Schwung, Elan und Freude in die Arbeit bringen und bin gerne bereit, auch in einem Gespräch weitere Ideen und Gedanken zu Fraternidad zu spinnen.
Ich bedanke mich bei allen, die mir den Einblick in La Fraternidad ermöglicht haben und bedanke mich für alle Hilfe und Verfügungstellung von Raum, Zeit und Möglichkeiten.
Ich bedanke mich bei allen Kindern, die mit so viel Freude und Offenheit mit mir an diesem Kurs teilgenommen haben.

Angelika Pröstler, 2. Dezember 2010, Condega
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