Meine Zeit in Nicaragua


Condega, ein Dorf im nördlichen Nicaragua, ein Land, das ich während meines 3- monatigen Aufenthalts zu schätzen und lieben gelernt habe, hat sich sehr in meine Erinnerung eingeprägt. Nicht nur die Stadt erinnert nicht sehr an "österreichische Verhältnisse" (um jetzt nicht näher auf die Definition dieses Begriffes einzugehen möchte ich hier den Sinn des stereotypen Denkens verwenden- auch wenn ich mich immer wieder frage, was ist ein typischer Österreicher?), auch die Landschaft, das Klima und die Kultur der Leute unterscheiden sich wesentlich von dem mir "Gewohnten". Gesprungen ins kalte Wasser, mit anfänglichen Problemen der Kommunikation und Unterbeschäftigung hat sich das Blatt in der Halbzeit gewendet und wurde zu einem ereignisreichen Abenteuer mit vielen neuen, wertvollen Erfahrungen.

Mit der Motivation Spanisch zu lernen, einen freiwilligen sozialen Einsatz zu machen, Land und Leute kennen zu lernen, wie auch neue Erfahrungen auf einem mir noch komplett unbekannten Kontinent zu sammeln kam ich am 04.Juli 2009 in Managua an, wo ich von drei mir komplett unbekannten Personen empfangen wurde. Die erste Woche verbrachte ich in Leon, wo ich das CHiCA- Büro und Elmer Zelaya mit meiner Anwesenheit beglückte. Die Klima- und Essensumstellung machte mir in dieser Zeit sehr zu schaffen und ich verbrachte die meiste Zeit, behütet im Schatten, in meiner Unterkunft. Dann ging es endlich, gekitzelt von Nervosität, auf nach Condega, wo ich herzlich empfangen wurde von meiner Familie und den Reyes, sowie so manchen Österreichern. Große Verwunderung über die vielen anzutreffenden "Heimatkollegen" machte sich breit, was mich anfangs nicht begeisterte, da dies für den positiven Sprachfortschritt nicht das Beste ist, stellte sich dann aber als kein Problem heraus. Wir haben uns alle recht gut verstanden und man konnte sich dann auch untereinander austauschen über etwaige negative Erfahrungen oder Dinge, die man nicht versteht.

Meine Gastfamilie war ein junges Paar im Alter von 23 und 24 Jahren mit einem 18- monatigen Jungen. Ich hatte ein super Zimmer und das ganze Haus fiel nicht so ganz unter das, was man den "Durchschnitt" Nicaraguas nennt.

"Genervt vom Mosquitonetz krabble ich morgens heraus von meinem Bett, habe meinen eigenen Kasten und eine Tür mehr oder minder direkt ins Badezimmer. Ja, ein Badezimmer mit Dusche, Waschbecken und Wasserklo. Keine nächtlichen Spaziergänge in den Garten zu einer Latrine oder zum Gartenschlauch für die tägliche Hygiene. Mir stehen 2 Fernseher und eine riesen Stereoanlage zur Verfügung, ein Auto steht im Garten geparkt und man hat sogar die Möglichkeit einer Mikrowelle."

Hier merkt man, dass ich in einem der wenigen Häuser in Condega gewohnt habe, die schon einen gewissen "Wohlstand& Luxus" (wie man den auch sehen mag) beherbergen. Natürlich gab es aber auch Umstände, die das Leben "erschweren". Oftmals gab es kein Wasser oder keinen Strom, die Ursachen dafür mögen vielseitig sein. Man lernt damit umzugehen und sich zu helfen. Ich habe das immer sehr spannend gefunden und genossen zu beobachten wir kreativ die Leute sind und wie normal Dinge sind, die für "uns" unvorstellbar sein mögen. Ich habe gelernt in der Nacht Flaschen und Tonnen aufzufüllen um sich untertags dann mit dem Eimer duschen zu können und sich trotzdem sauber zu fühlen. Ich habe gelernt was es heißt den Luxus von fließendem Wasser zu haben, denn auch das, war in "meinem" Haus in der Küche nicht vorhanden. Man trägt das Geschirr hinaus in ein, aus Beton gebautes, "Waschbecken" um es dort zu waschen, wo auch die Kinder gebadet und Wäsche gewaschen wird. Ich habe gelernt, was man für einen Vorteil hat geschlossene Häuser zu haben, wo nicht jegliches Krabbeltier Durchgang hat und sich dann im Küchenkasten niederlässt. Doch man lernt mit den anderen Hygienebedingungen und -vorstellungen umzugehen und sie auch selbst zu leben. Man ist in einem anderen Umfeld, lernt die Dinge so zu sehen wie die "Nicas", zumindest bis zu einem gewissen Grad. So manche Familie, die es sich leisten kann hat einen Wassertank im Garten, der bei meiner Familie jedoch kaputt war und ständig ausgelaufen ist.

Des Weiteren sind Erziehungsmethoden unterschiedlich. In diesem Bereich hatte ich so manchmal zu kämpfen, wenn man sieht, dass auch die älteren Geschwister bereits ihre jüngeren "schlagen". Die Kinder verstehen zum größten Teil kein ausgesprochenes Nein, wo ich mich bei meinem kleinen Gastbruder des Öfteren hilflos gefühlt habe. Ich wollte ihm etwas erklären, warum er etwas nicht machen darf, aber er kannte solche Erklärungen nicht und hat mich immer "komisch" angeschaut "Was redet die?". Auf diesem Gebiet, wie auch in manchen anderen Situationen lernt man seine Grenzen kennen und versucht Lösungen über sie hinaus zu finden.

Eine Sache, die ich auch lieben gelernt habe ist das Reisen in Nicaragua. Man fährt mit alten amerikanischen Schulbussen, die drohen auseinander zu brechen, im wahrsten Sinne des Wortes über "Stock und Stein". Viele Straßen sind weder asphaltiert noch gepflastert (Die große Ausnahme: Die uns allen bekannte "Panamericana") und daher mit tiefer gelegten Autos nicht passierbar. Durch die Lautsprecher dröhnt landesübliche Musik, welche ich auch sehr zu schätzen weiß, manch einer singt, andere schlafen- wo man sich ab und zu fragt, wie die Leute bei diesem Auf und Ab schlafen können. Auf den größten Haltestellen, die zugleich meist Märkte sind wird der Bus "überfallen" von Straßenverkäufern. "Agua Agua Agua!" hört man es dann schon von weitem. Auch jegliches Obst und Gemüse, Süßigkeiten, Vitamine und noch vieles mehr kann man in den Bussen, bequem auf seinem Sitz, wenn nicht überfüllt, ersteigern. Auch Gottes Worte darf man nicht vergessen, die einen auch in den letzten Ecken des Landes einholen.

Eine Gabe der "Nicas", die mir noch in keinem Land so widerfahren ist, wie in Nicaragua ist die Gastfreundschaft. Man ist dort als Weiße/r immer herzlich willkommen in den Häusern, wird eingeladen, obwohl sie ja selbst zum Teil "nichts" besitzen. Kaffee und Süßes oder "Fresco" wird angeboten und man tratscht. Oftmals versucht man den Menschen eine Vorstellung von Österreich zu geben, versucht zu erklären und Unterschiede zu erläutern, doch klar, die Vorstellung für alljene, die noch nie aus Nicaragua raus gekommen sind ist schwierig. Von der Tatsache, dass nahezu "jeder" in Österreich Internetzugang zu Hause hat bis hin zu dem Faktum, dass wir hier keine Tortilla, sondern "pan integral" (Schwarzbrot) essen kommen noch viele weitere Gesprächsthemen vor und man erlernt so die Landessprache und sich ohne Fachvokabular umschreibend auszudrücken.

Erwähnen möchte ich jetzt natürlich auch das Projekt "La Fraternidad", in dem ich Tag ein, Tag aus gearbeitet habe. Die Arbeit, die die Leute dort machen schätze ich sehr, wie auch die Arbeit jener, die im Hintergrund tätig sind (Seien es Christa& Kurt, die das Projekt finanzieren und gerade an einer weiteren Bauetappe arbeiten; wie auch Elmer Zelaya, der sowas wie der Supervisor ist und alles vor Ort, also von Leon aus regelt).

Los ging es jeden Tag um halb 8, entlang der Panamericana gingen wir, unter Sonnenschirmen (ganz normalen Regenschirmen) versteckt eine halbe Stunde bis zu dem Gebäudekomplex, der gerade noch vergrößert wird, wo wir dann um 8 Uhr mit der Arbeit begannen. Es gibt für jede Klasse einen eigenen Raum, das Angebot erstreckt sich über Computerkurse, Tanzen, Nachhilfe, sowas wie textiles Werken bis hin zu den Zeichenkursen; wo auch viele Jugendliche beteiligt sind. Man kann also sagen, es ist für jedes Alter was dabei und die tatsächliche Altersgruppe, die regelmäßig ins Projekt kommt erstreckt sich tatsächlich von Kleinkindern, die mit ihren großen Geschwistern mitkommen, bis hin zu Jugendlichen bis zu 20 Jahren. Das hat mich von Anfang an begeistert, da dadurch auch die Aktivitäten, die man machen kann sehr variieren. Man hilft wo man gebraucht wird, kann in alle Bereiche Einblick gewinnen, übernimmt bei Krankheit eines Promotors dessen Klasse und kann jederzeit eigene Projekte starten und Ideen verwirklichen. Somit kommt einem auch viel Eigenverantwortung zu, was man aus seiner Zeit dort macht. Trotzdem hat man immer die liebe Estella, die Leiterin vor Ort, im Rücken, die einem mit Rat und Tat zur Seite steht, da sie die Leute, die Gegebenheiten vor Ort und vor allem die Kinder besser kennt als man selbst.

Man bemerkt ziemlich bald, dass es aber nicht nur auf die "materielle" oder "formelle" Arbeit ankommt die man macht, sondern vor allem darauf, den Kindern das Gefühl zu geben ernst genommen zu werden. Die Kinder suchen Aufmerksamkeit, Nähe, Körperkontakt und sind begeistert und angezogen von dem "Anders- Sein" der Österreicher und dem "Weiß- Sein". Man versucht ihnen die Umarmungen und den Respekt zu geben, den viele dieser Kinder zu Hause nicht bekommen, was einem, oder zumindest mir, meist leicht fällt, da sie einen so offen aufnehmen, trotz anfänglich sperrlicher Kommunikation. Doch mit den Kindern konnte ich am besten meine Sprachkenntnisse verbessern, da sie einfach mit dir plaudern und dir liebevoll Dinge erklären, nach denen du fragst.

Freitags ist immer der Spiele- Tag, da freitags in Condega keine Schule ist, sind immer die meisten Kinder da, haben keine Hausaufgaben und sollen ihre Kindheit ausleben können und Gemeinschaftssinn entwickeln. Es ist sehr spannend zu beobachten, wie immer wieder welche den anderen, zum Teil jüngeren, zum Teil "weniger gebildeten", also Kindern die nicht das Glück haben in die Schule gehen zu dürfen, helfen und Dinge erklären. Einschlägige Erlebnisse bleiben einem natürlich nicht erspart. Einer der bewegendsten Momente, die ich in dem Projekt erlebt habe, war der Tag an dem mich ein 10- jähriges Mädchen bat mit ihrer Mutter zu reden, sie möchte in die Schule gehen, doch ihre Mutter ließe sie nicht gehen, weil sie zu Hause helfen muss ihre kleinen Kinder zu versorgen. In solchen Momenten realisiert man, was man doch selbst für eine ausgelassene Kindheit erleben durfte, verschont von den zum Teil harten Realitäten des Lebens. Ich musste nicht meine kleinen Geschwister versorgen, Wasser den Berg ins Haus hoch schleppen, kochen und die Mutter ins Krankenhaus begleiten, und all das in einem Alter von 10 Jahren!!

Ich würde diese Arbeit sofort wiederholen, denn es ist die beste Möglichkeit sich, ein neues Land, andere Gegebenheiten, eine Sprache, eine neue Kultur und vieles mehr kennen zu lernen und wichtige Erfahrungen zu sammeln!

Abschließend möchte ich noch ein paar Leuten danken, die mir diese Erfahrung ermöglicht haben und an die Menschen denken, auf die ich während meines Aufenthalts gestoßen bin. Mit vielen bin ich jetzt in ständigem Austausch, was mich sehr freut, denn ich dachte mir, dass sich das als schwieriger herausstellen würde!

Da wären zuallererst meine Eltern, die mich in meinem Vorhaben immer unterstützt haben und mir in einer Phase des Pessimismus gut zugeredet haben. Mir wurde in Nicaragua mehr denn je bewusst, was es heißt seine Eltern "im Rücken" zu haben und sich auf sie verlassen zu können, egal wo man sich auf unserem Planeten gerade befindet. Ohne meine Eltern wäre diese Reise nicht möglich gewesen und es hätte keinen gegeben, der hier in Österreich die Formalitäten, unsere liebe Bürokratie regelt und im Falle des Falles alles Mögliche in die Wege leiten würde um mir zu helfen.

Der nächste Erwähnenswerte ist mein Bruder Alexito, der mir immer wieder mit seinen Erfahrungswerten in Rat und Tat zur Seite stand, aber nicht zu viel, sodass mir meine eigenen Erfahrungen nicht genommen wurden. Doch braucht man das erste Mal bei so einer Reise& Tätigkeit eine leitende Hand.

Weiters Eva, die mir es erst ermöglicht hat von dem Land Nicaragua und dem Projekt "La Fraternidad" zu erfahren. Durch sie und mit ihr habe ich viele neue Erfahrungen gesammelt und da sie dann auch vor Ort war konnten wir uns austauschen, gemeinsame Projekte planen und Reisen unternehmen. Unsere Freundschaft hat sich in dieser Zeit sehr gefestigt und es ist spannend sich auch im Nachhinein mit einer Person, die die Gegebenheiten vor Ort kennt austauschen zu können, auch eine neue Erfahrung.

Und zu guter letzt, aber keineswegs geringer in der Bedeutung alle Familienmitglieder der Familie Reyes, Palma und Ochoa, allen voraus Martha. Diese Familie hat mich in allen Lebensbereichen in ihre Familie aufgenommen und das, obwohl ich nicht bei ihnen gewohnt habe. Ich bin in meinem Leben noch nie zuvor auf eine so offene, gastfreundliche und liebenswerte Familie gestoßen.

Danke an all diese Personen, die für mich von großer Wichtigkeit sind.
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